WHEREAMiNOW (7)

28.8.

Die letzten Tage habe ich Spukhafte Fernwirkung zu Ende geschrieben (mal wieder!; wenn für alle Romane, für alle Texte überhaupt gilt, dass sie nie zu Ende geschrieben sind, so gilt das für Spukhafte Fernwirkung 22,43 mal im Quadrat, was der aktuellen Seitenzahl entspricht) und ansonsten bin ich etwas melancholisch durch die Gegend gestromert. Zum Beispiel habe ich die Stelle gesucht, an der die Passer in die Etsch fließt. Aber die Straße dorthin endet in einem Fußgängerweg, der parallel zur Bundesstraße von Meran nach Bozen abbiegt. Ich musste an Mannheim denken, die einzige Stadt in Europa, die aus der Mündung eines mittelgroßen Flusses (Neckar) in einen großen Fluß (Rhein) kein Marketingevent macht, wie man mir erklärt hat, als ich im Juli dort war. Das macht Mannheim irgendwie sympathisch.

Unterschiede und Unterschiede

In Meran hat es einen Beigeschmack, denn dort wird eben alles zu einer herausgeputzten Sehenswürdigkeit, zumindest wenn es im richtigen Viertel ist. Die Mündung der Passer in die Etsch ist definitiv nicht im richtigen Viertel, wer will schon neben einer Schnellstraße wohnen? Komisch, dass Viertel wie diese überall auf dieselbe Weise vernachlässigt sind – konträr zu Tolstois Bonmot über die unglücklichen Familien, die auf sehr unterschiedliche Arten unglücklich sind. Merke: Stadtviertel sind keine Familien. Aber oft wohnen welche darin.

Das schönste Schwimmbad der Welt

In Schenna befindet sich das laut Googlekommentaren schönste Freibad der Welt. Und tatsächlich – der Lido Scena ist eine kleine architektonische Perle in seiner sachlichen Geradlinigkeit. Er setzt ganz auf die Umgebung. Das Wasser ist kalt, es gibt keine Eventbadschnickschnacks außer einer Wasserrutsche und gemütlichen Sesseln vor den Haartrocknern. Der Kiosk verkauft Eis, Pommes und Bier, aber auch Cocktails und es läuft irgendwie coole Mucke, so Independentzeugs aus den 80ern. Im obersten Stockwerk befindet sich ein Restaurant mit einem Aussichtssteg, der mich ein bisschen an den Matteo’schen Sternengucker in Schloss Trauttmansdorff erinnert hat. Und tatsächlich – beide sind 2005 gebaut worden. Moderne Architektur funktioniert hervorragend in dieser Alpenkulisse, gerade auch wegen des Kontrasts zur oft verkitscht reproduzierten bäuerlichen Traditionsbauweise.

Beste Freundinnen

In Meran gibt es ein Frauenmuseum – und das schon seit 1988! Ich war überrascht, wie gut besucht es an einem Samstagmorgen war. Es ist bestens vernetzt, ist sogar Koordinatorin des weltweiten Netzwerks der Frauenmuseen – der International Association of Women’s Museums (IAWM), deren Schirmherrin die Iranerin Shirin Ebadi ist, die erste muslimische Friedensnobelpreisträgerin. In der oberen Etage beschäftigt sich eine Ausstellung mit der Geschichte der modernen Frau anhand ihrer Kleidung – von der Krinoline im Biedermeier zum Minirock im 20. Jahrhundert. Im Fokus steht die bürgerliche Frau, die sich in ihrer Kleidung immer auch deutlich von der proletarischen Frau abgrenzte. So wie sich patriarchale Hierarchien schon immer auch in der Kleidung zeigten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es z.B. nichtadeligen Frauen verboten, bestimmte Kleidung zu tragen, die den Damen vornehmer Herkunft vorbehalten waren. Wer will schon aussehen wie ihre Zofe! So kann es natürlich nichts werden mit der Solidarität.

Was mir etwas fehlte, war die Auseinandersetzung mit Trachten und religiöser Kleidung, z.B. mit dem Kopftuch. Auch hier geht es in der Wahrnehmung ja ganz stark um Zugehörigkeit und Abgrenzung.

Das Untergeschoss zeigt Frauenfreundschaften und Frauenlieben. Ich begegnete Louise F. Pusch, Simone de Beauvoir, Bettina von Arnim, Adele Schopenhauer oder Anita Augspurg und ihren Beziehungen zu ihren besten Freundinnen, Lebens- und Kampfgefährtinnen; ich ging voll schöner Gedanken hinaus in die Nachmittagssonne.

Love für den Busfahrer

Niagärchen

Da für die nächsten Tage schlechtes Wetter gemeldet ist, habe ich mich am Freitag auf zur letzten Wanderung gemacht. Unbedingt wollte ich noch den Partschinser Wasserfall sehen. Der Bus vom Parkdeck Partschins nach Salten fiel wegen eines Unfalls leider aus, wie mir der nette Busfahrer einer anderen Linie erklärte. Aber er habe jetzt Dienstschluss und nähme mich ein Stück mit. Love für den Busfahrer. Den Wasserfall nannte ich neckisch Niagärchen.

Dann lief ich über Stock und Stein Richtung Vellau, da sollte es nämlich einen urigen Lift geben, mit dem wollte ich mal fahren. Außerdem bin ich in den Tschigot verliebt, das ist der Gipfel des Berges, den ich nun längs durchquerte. Ich ging somit auf dem Körper meiner heimlichen Liebe spazieren. Er nahm es recht gelassen hin, nur einmal grummelte er ein bisschen (wahrscheinlich war ich auf eine Warze getreten). Als ich in Vellau ankam, musste ich mich entscheiden, ob ich mit dem urigen Korblift hinauf oder mit dem urigen Sessellift hinunter fahren wollte. Angesichts meiner Liftangst und der schon fortgeschrittenen Zeit entschied ich mich für die Fahrt ins Tal. Ich fragte den Sessellift-Wärter, wie oft schon jemand abgestürzt sei. Er sah mich mitleidig an und schüttelte den Kopf. Ich wertete das als gutes Zeichen, es wirkte so spontan. Auf die Fahrt, die mich ein bisschen traurig stimmte, habe ich euch mitgenommen: Film über das melancholische Schweben nach Vellau hinan auf Instagram